Freitag, 20. Februar 2009

Nicht normgerecht

Manchmal hat es auch Vorteile, wenn man mehr als 1,2 Kinder hat. Einer davon ist die Erfahrung.


Bei Kind Nr. 1 haben mir viele Aussagen von Lehrkräften den Schlaf geraubt, weil nicht absehbar war, wie wir dieses nicht normgerechte Kind durch ein so überragendes Schulsystem wie das deutsche bringen sollten.


So mancher Lehrkraft von damals würde ich gerne heute noch einmal begegnen und ihr lächelnd sagen, was dieses Kind trotz aller Versuche, es auf Norm zu trimmen, geschafft hat.


Inzwischen geht unser drittes Kind zur Schule und auch dieses Kind ist zu individuell. Aber ich habe den Umgang mit Lehrern inzwischen besser gelernt und daher nur milde gelächelt, als der folgende Satz kam:


"Er soll aber keine Sachbücher lesen, sondern das, was wir hier lesen. Haben Sie keine altersgerechten Bücher für ihn ?"

Ich vermute ja, der Satz steht irgendwo in den Fachbüchern für ein Pädagogikstudium, ich kenne ihn in- und auswendig.

Liebe Frau Dorflehrerin, nein, wir haben hier gar keine Bücher, sondern nur Playstationspiele. Das Kind sitzt den ganzen Tag vor dem Fernseher und ist daher nicht in der Lage, die Geschichte von Peter und Hans (oder wie auch immer die Protagonisten der spannenden Schullektüre gerade heißen) selbst sinnerfassend zu lesen. Die Flimmerkiste und die Tatsache, in einem sozial schwachen, kinderreichen Haushalt aufzuwachsen, haben ihn debil werden lassen.


Ja, Frau Dorflehrerin, ich weiß, dass Sie schon jahrzehntelange Erfahrung haben und daher genau wissen, dass kein Kind in diesem Alter sich die physikalischen Hintergründe der Elektrizität selbst erarbeitet. Geht nicht, gibt's nicht, alles Quatsch.


Sie befinden sich in guter Gesellschaft, alle Pädagoginnen, die meinen Kindern bisher tatsächlich geholfen haben, wußten aus eigener Erfahrung, wovon wir reden. Andere können es eben nicht begreifen, das liegt in der Natur der Sache.


Wir sprechen uns noch !














9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wow, da habt ihr ja ein tolles Kind. Freut mich, dass die Schule noch so wenig "Eindruck" auf es machen konnte.
Man darf übrigens nicht Lehrer mit Pädagogen verwechseln. Das ist so, als ob man den Typen der im Baumarkt die Säge bedient mit einem Schreiner verwechseln würde - die Lehrer sitzen in sehr wenig Pädagogik Vorlesungen - und von pädagogischer Psychologie haben die gar keine Ahnung. Sie können ihre Dorflehrerin ja mal fragen, wie sie ihre Aussagen mit den Theorien von Piaget oder Vygotski in Einklang bringen will. Oder ob sich ihren Stammtischweisheiten die gesamte Forschung unterordnen soll?

Anonym hat gesagt…

Hi Sylvia,

Besserwisser(-innen) in Sachen Erziehung kann ich auch nicht ab. Egal aus welchem Lager. Selbst wenn sich dein Kind für die Relativitätstheorie oder nichtlineare Komplexität interessieren sollte, so what. Ist doch klasse!

Grüße,
Achter

Sylvia hat gesagt…

Danke für eure Kommentare.

Ja, meine Kinder sind toll (meistens *g*), aber leider nicht so, wie "man" als Kind zu sein hat.

Die Dorflehrerin als Person ist mir sowas von egal, deren Horizont werde und will ich nicht erweitern. Allerdings hat ihre Denkweise zwei schwerwiegende Folgen:

1. Sie vermittelt unserem Junior, dass er dumm ist. Nicht direkt, mit Bemerkungen, die angreifbar sind, sondern ganz subtil. Wer nicht vorlesen will oder kann, wer nicht gerne vor der Klasse steht, bekommt einen deutlichen "Punktabzug".

Da Junior angeblich nicht fließend vorlesen kann (daheim kann er es, komisch), lautet ihre "Diagnose", dass Junior überhaupt nicht sinnerfassend lesen kann.

Was eine Mutter dazu sagt, interessiert nicht, die Leerkraft ist die Expertin. Die Mutter lügt nämlich, ist doch klar.

Junior spürt also täglich, dass er "doof" ist, mit allen Folgen, die so etwas mit sich bringt.

2. In Baden-Württemberg entscheidet der Notendurchschnitt über die Schullaufbahn. Zudem wird das Mündliche notenmäßig sehr stark gewertet, die Leerkraft kann also sehr viel von ihrer persönlichen Einschätzung einfließen lassen. Demnach kann die Schulwahl für Junior trotz bekannter hoher Begabung möglicherweise stark eingeschränkt werden.

Nein, wir wissen noch gar nicht, welche Schule für ihn am besten wäre, und wir haben noch ein Jahr Zeit mit diesem Thema.

Anonym hat gesagt…

>"trotz bekannter hoher Begabung"

Inwiefern ist diese hohe Begabung bekannt, gibt es einen IQ-Test? Wenn es da etwas "amtliches" gibt müßte dann nicht die persönliche Einschätzung der Leerkraft nachrangig sein?

Sylvia hat gesagt…

@ Achter:

"Amtliches" gibt es, aber das interessiert nicht - hier in BW entscheidet ausschließlich der Notenschnitt über die weiterführende Schule.

Schau mal unter den Links nach meiner Lieblingsschule - dorthin gehen etliche Kinder mit bekannt hoher und sehr hoher Begabung, die früher auf der Hauptschule waren. Nichts gegen Hauptschulen an sich, nur - eine begabungsgerechte Beschulung sieht in diesen Fällen eben anders aus.

Anonym hat gesagt…

>"Schau mal unter den Links nach meiner Lieblingsschule"

War dieses Gymnasium nicht mal zusammen mit der Münsinger Schule? Über die habe ich schonmal was geschrieben:

http://adhsinfo.wordpress.com/2009/01/05/munsinger-schule-geht-weiter/

Anonym hat gesagt…

Ich habe mir die Seiten dieses Gymnasiums gerade mal näher angeschaut, sowas treibt mir, als spätdiagnostizierter ADHS- Underachiever die Tränen in die Augen. Es ist so so gut, daß es so etwas gibt! Für mich leider viel zu spät, aber für die Kids, die das Glück haben da reinzukommen eine Chance, ihrer Begabung entsprechend etwas Vernünftiges aus ihrem Leben zu machen.

Übrigens: Die Botschaft von Herrn Späth auf der Startseite finde ich gut! Da hat einer mal gecheckt was Sache ist, auch wenn er von der CDU ist.

Sylvia hat gesagt…

Ja, es war einmal die Münsinger Schule... sozusagen. So schön es ist, dass vermutlich das jetzige Esslinger Gymnasium und auch das Internat in Münsingen hoffentlich weiter existieren können, so spannend und teilweise auch ernüchternd waren einige Ereignisse und Erkenntnisse.

Eines meiner Kinder möchte vielleicht nächstes Jahr dorthin wechseln, außerdem haben wir noch zwei potentielle Kandidaten dafür. Leider suche ich noch die Finanzquelle *grmpf*.

Hier noch der Link zu der Geschichte, aus der sich die Elterninitiative damals gebildet hat (die Zahlen und Kosten sind völlig veraltet, macht aber nix):

http://www.therapiezentrum-esslingen.de/notschule.html

Anonym hat gesagt…

Manuelles Trackback:

http://adhsinfo.wordpress.com/2009/02/28/privates-gymnasium-esslingen/