Mittwoch, 15. Mai 2013

Die Deutsche Bahn und die Schwarzfahrer


Wir bezahlen für die Schülermonatskarten pro Kind rund achtzig Euro pro Monat. Der Betrag wird von unserem Konto abgebucht, noch nie gab es irgendwelche Zahlungsprobleme, wir sind eigentlich Traumkunden, finde ich.

Schüler ab dem 15. Lebensjahr müssen als Nachweis ihrer Schülereigenschaft die sogenannte Berechtigungskarte zur Benutzung von Schülerzeitkarten mit sich führen. Auf diesem schicken, bahneigenen Formular bestätigt die Schule, dass der Fahrkarteninhaber tatsächlich dort beschult wird. Damit das alles auch seine Richtigkeit hat, muss die Bahn die Karte gegenzeichnen, erst dann gilt sie.

Man könnte natürlich in die Beförderungsrichtlinien aufnehmen, dass bei Schülern ein gültiger Schülerausweis mitzuführen und auf Verlangen vorzuzeigen ist, aber das würde den bürokratischen Aufwand unnötig verringern und vermutlich die Fahrkartenkontrolleure intellektuell überfordern – ich gehe davon aus, des Schülerausweise nicht einheitlich sind, so dass dem Betrug Tür und Tor geöffnet würde.

Unsere Tochter wurde kontrolliert. Der Berechtigungsausweis war seit kurzem abgelaufen, wir hatten das nicht bemerkt. Der Schülerausweis wurde nicht akzeptiert, siehe oben.  Der Kontrolleur hatte eine Auszubildende dabei und wollte ihr nun vorführen, wie mit Schwarzfahrern umzugehen ist. Unsere Tochter wurde über mehrere Bahnstationen quasi erkennungsdienstlich behandelt. Fingerabdrücke wurden keine genommen, da hatte sie Glück. Sie durfte auch gerade noch an der richtigen Station aussteigen, ich weiß nicht, was der Kontrolleur gemacht hätte, wenn zu diesem Zeitpunkt die Daten noch nicht vollständig in seinem Computer eingegeben worden wären.

Heim kam unsere Tochter dann mit einem langen Ausdruck: Frau XY, geboren am, und so weiter, muss die Fahrpreisnacherhöhung von € 40,00 (inzwischen sind das übrigens € 60,00) bezahlen oder nachweisen, dass es einen gültigen Fahrausweis gab. Nachzuweisen ist dies durch das Einscannen des Fahrausweises und Übermittlung an diese Seite. Die Damen im Reisezentrum konnten uns nicht helfen, das müsse online gemacht werden, einfach so ganz naiv die Unterlagen vorzulegen am nächsten größeren Bahnhof, das ist viel zu einfach, geht nicht.

Selbstverständlich haben wir umgehend die Berechtigungskarte erneuert. Ich habe alles eingescannt und unter Angabe der FN-Nummer eine Nachricht an das oben verlinkte Schwarzfahrerportal geschickt, und jetzt das Antwortschreiben auf dem Postweg erhalten:

„Sehr geehrte Frau DukeimNetz,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom xxx. Wir bedauern, dass Ihr minderjähriges Kind am xxx während seiner Fahrt von xxx nach xxx in die unangenehme Situation einer Fahrpreisnacherhebung kam.

Ihre Tochter konnte keine gültige Berechtigungskarte vorlegen.

Wir haben Ihre Unterlagen geprüft und reduzieren unsere Forderung auf den Betrag von € 7,00. Geben Sie dabei die Nummer der Fahrpreisnacherhebung an.

Sehr geehrte Frau DukeimNetz, wir wünschen Ihrer Familie künftig eine gute Fahrt.

Mit freundlichen Grüßen
DB Vertrieb GmbH
Fahrpreisnacherhebung“

Die € 7,00 werde ich brav überweisen, trotzdem täglich dankbar sein, wenn meine Kinder überhaupt irgendwann ankommen, die mindestens drei Verspätungen pro Fünftagewoche gelassen hinnehmen, nicht nachrechnen, wie viele Stunden ich schon am Bahnhof auf die verspäteten Kinder gewartet habe (es fährt kein vernünftiger Anschlussbus in unseren Teilort), nicht ausrechnen, wie viel Benzin ich schon verfahren habe, weil Züge ganz ausgefallen sind (Stuttgart 21 betrifft unsere Strecke, Weichen- und andere technische Probleme sind Standard), nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn meine Tochter vor einem Jahr so angegangen worden wäre – die jahrelange Aufbauarbeit, die es überhaupt möglich gemacht hat, dass sie selbständig Zug fährt, wäre zunichte gemacht worden.

Trotz eigentlich gültiger Fahrkarte.

Daher: kontrolliert gegebenenfalls alle bahn-amtlichen Zusatzdokumente, sonst werdet ihr, bzw. eure Kinder, unversehens zum Verbrecher ;-)

Sonntag, 12. Mai 2013

Hyperaktives Lesen

© shandrus - Fotolia.com


Bücher kommen gleich nach Schokolade – beides ist lebensnotwendig, und ich zeige Entzugserscheinungen, wenn eines davon nicht greifbar ist. Ich habe die  „Luxusvariante“ des Leseausweises für die Stadtbücherei der Kreisstadt. Diese beinhaltet das kostenlose Ausleihen von ansonsten zuschlagpflichtigen Bestsellern, und erlaubt eine unbegrenzte Zahl an Medien gleichzeitig mitzunehmen. Außerdem ist unsere Bücherei an die Onleihe angeschlossen, ich kann also eBooks ausleihen.

Das ist für einen Lesejunkie das Paradies – eigentlich. Wenn ich bei Kunden in der Kreisstadt vorbeischaue, mache ich noch kurz einen Ausflug in die Bücherei. Meistens komme ich gar nicht über das Erdgeschoss hinaus, denn dort befindet sich die Abteilung mit den Bestsellern und den Neuanschaffungen. Ich stehe mit leuchtenden Augen davor und ergänze meine innere Liste der unbedingt zu lesenden Bücher. Gleichzeitig muss ich den Terminplan der nächsten vier Wochen durchdenken, denn fast immer werden die Bestseller von anderen Lesern vorbestellt, so dass ich sie nicht verlängern kann. Wie viel Zeit bleibt mir also zum Lesen, bis ich mich wieder trennen muss ? Ich gehe meistens mit mehreren Büchern heim. Viele davon sind Sachbücher für zwischendurch, und ich bin stets davon überzeugt, dass ich sie schaffen werde bis zum Rückgabetermin. In meinem Wohnzimmerschrank gibt es ein Regal nur für ausgeliehene Bücher, und dieses ist stets gut gefüllt.

Noch viel verführerischer ist die Onleihe. Mit wenigen Klicks ist das jeweilige Buch auf dem Reader oder Tablet, es kostet mich nichts zusätzlich, es gibt keine Wartezeiten, nichts. Leider habe ich auch hier ein großes Entscheidungsproblem und leihe daher aus purer Verzweiflung mehr Lesestoff aus, als ich schaffen kann.

Dass eine meiner ersten „Freundschaften“ im Internet die enge Kundenbeziehung zu einem großen Onlinebuchhändler war, dürfte niemanden überraschen. Da trotzdem auch der Buchhandel vor Ort unterstützt werden muss, entscheide ich oft genug spontan, dass so manches Buch dauerhaft und für die lesenden Kinder als Option in unseren Bestand gehört. Ich kaufe eben lieber Bücher als Schuhe.

Die Frage nach dem Buch, das ich gerade lese, kann ich nie spontan beantworten. Ich lese immer mehrere Bücher gleichzeitig, meistens drei bis fünf Stück parallel. Nur, weil ich gestern den Thriller angefangen habe, heißt das ja nicht, dass mir heute der Sinn nach Leichen ist, im Gegenteil, jetzt gerade lacht mich das Sachbuch über Controlling an, und nachher werde ich das schicke Kochbuch durchblättern bei der Planung der nächsten Woche. Und so weiter…
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Das alles hat aber auch eine Kehrseite. Während früher, in den analogen Zeiten, also im letzten Jahrhundert, meine Stapel ungelesener Bücher überschaubar waren, bin ich jetzt umzingelt von termingebundenem Lesestoff. Fünf interessante eBooks laufen in drei Tagen ab, der wahnsinnig spannende Bestseller muss in zwei Wochen abgegeben werden, das tolle Kochbuch, das ich kürzlich ausgeliehen habe, wurde noch immer nicht getestet, die Schenkbücher von Weihnachten und Geburtstag lachen mich an, aber ich lese sie nicht, weil hier ja keine Rückgabefrist drängt.

Dank Cookies werden mir bei jedem Besuch einschlägiger Seiten weitere interessante Bücher vorgeschlagen. In Buchhandlungen liegen Prospekte aus, die ich immer mitnehmen muss, es geht einfach nicht anders. Von allen Seiten ruft es „Lies mich !“. Es ist paradiesisch, dass ich fast immer und überall sofort genau das lesen kann, was mir gerade in den Sinn kommt, aber es ist tatsächlich manchmal zu viel auf einmal.

Ich bin mir sehr sicher, dass ich als Rentner keine Langeweile haben werde. Im Idealfall stelle ich die Schriftgröße meines Readers auf L und lese, lese, lese – alles, was gerade neu erschienen ist, und alles, was ich über die Jahre in den Regalen angesammelt habe. Bis dahin werde ich eben die Zeitfenster des Alltags nutzen – Wartezeiten vor Terminen, Nachtschichtnächte des Gögas, Ferienzeiten.