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Der Jahreswechsel ist in meinem Job immer sehr
anstrengend. Während die meisten „normalen“ Arbeitnehmer zwischen Weihnachten
und Neujahr, oder sogar bis zum 6.1. Urlaub haben, ist hier Großkampfphase.
Vor Weihnachten nimmt mich die Weihnachtspost sehr in
Anspruch. Meine Kunden bekommen immer einen Weihnachtsbrief, hierfür gibt es
übrigens zwei Grundvarianten: Die netten Kunden bekommen einen Zusatz Marke „…verbunden
mit Dank für die angenehme Zusammenarbeit“, die unangenehmen bekommen nur reine
Weihnachts- und Neujahrgrüße. In Einzelfällen ergänze oder ändere ich den Text.
So schreibe ich einer frisch zur Witwe gewordenen älteren Dame natürlich nichts
von fröhlichen Feiertagen, sondern formuliere einen individuellen Text.
Die Zähler der Wasseruhren und die Wärmemesser für das Gas
müssen in dieser Zeit abgelesen werden, Heizölstände muss ich ermitteln, und prüfen,
ob noch irgendwelche Buchungen bis zum 31.12. eines Jahres auf die Kontoauszüge
müssen. Die Ablesungen werde bei fast
allen Objekten von einer separaten Firma erledigt, aber bei ein paar
Altobjekten und bei einigen Häusern, die ich im letzten Jahr von meinem
betrügerischen Kollegen übernommen habe, wird von der Hausverwaltung – also von
mir – abgelesen. Viele Kunden nehmen das als Anlass für ein Schwätzchen, und
das ist bis zu einem gewissen Umfang auch nett, wird aber manchmal sehr
ausufernd, und dann sind die Kunden beleidigt, wenn ich darauf hinweise, dass
ich noch in andere Häuser gehen muss (und, was ich nicht offen sage, eigentlich
wirklich nicht der Ansprechpartner für Eheprobleme, gebrochene Beine, kaputte
Autos oder Familienstreitigkeiten bin…).
Wenn Kunden Urlaub haben, schauen sie sich oft ihre
Unterlagen durch und rufen an, um irgendwelche Dinge zu klären. Das ist ganz
normal, würde ich auch so machen, aber es führt bei mir zu einem deutlich
erhöhten Anrufaufkommen. Die Leute haben inzwischen auch keinerlei Hemmungen
mehr und rufen zu jeder Zeit an: Frühanruferrekord war eine Rentnerin um 6.30
Uhr, Spätanruferrekord ein arbeitsloser Kunde, der sich um 23.00 Uhr seine Nebenkostenabrechnung
erklären lassen wollte, und Samstags oder gar Sonntags kann man es
selbstverständlich auch mal probieren. Ich biete keinen 24-Stunden-Dienst, gehe
aber trotzdem oft außerhalb normaler Zeiten ans Telefon und wundere mich dann
über die zunehmende Unverfrorenheit der Anrufer. Die irritiert nicht einmal,
wenn im Hintergrund meine Familie mit dem Geschirr klappert und ich nicht
zufällig erwähne, dass wir gerade beim Abendessen sitzen, die tratschen
hemmungslos weiter. Natürlich bin ich da auch selbst schuld, ich muss ja nicht
ans Telefon gehen (dieses klingelt parallel im Büro und bei uns daheim).
In den letzten Jahren hat sich die Kundschaft insgesamt
sehr stark verändert. Ich bin nicht allein mit meiner Einschätzung, es fällt
vielen Dienstleistern auf, und gerade hier im Kreis brennt gerade die Luft in
meiner Branche.
Der Kunde ist König. Dazu stehe ich, das ist wirklich
mein Arbeitsprinzip.
Aber ich bin trotzdem nicht der Sklave des Kunden. Preis
und Leistung müssen passen, ich arbeite weder ehrenamtlich noch unter Wert. Ich
lasse mich auch nicht blöd anmachen, ich habe nun einmal das Fachwissen und die
langjährige Erfahrung und weiß, dass auch im Internet falsche Dinge stehen oder
Kunden oft nur einen Ausschnitt sehen und nicht bedenken, dass sie eine andere
Teilungserklärung haben als ihr Bekannter, der Herr Mayer, der sich auskennt,
denn er ist 82 Jahre alt und war mal Verwaltungsbeirat.
Es kommt inzwischen immer wieder vor, dass Kunden
meckern, wenn man nicht innerhalb von zwei Stunden zurückruft. Die Meckerer
sind übrigens immer diejenigen, die extrem viele „Problemchen“ haben. Der
Mülleimer der Nachbarin steht nicht korrekt in der Reihe, die Waschmaschine von
Frau M. war um 22.05 Uhr noch an und hat gestört, die Treppe wurde nicht
ordentlich gewischt, und so weiter.
Unerfreulich ist auch, dass zunehmend Interessenten
versuchen, die Preise zu drücken. In Einzelfällen habe ich mich darauf
eingelassen und vereinbart, dass Zusatzleistungen dafür höher bezahlt werden
müssen. Es kam oft wie befürchtet: genau diese Beiräte, die um jeden Cent
handeln, sind diejenigen, die ständig wegen Kleinkram anrufen. Die sich im Jahr
fünf Einzelbelege überweisen lassen mit jeweils 3,95 € für eine Glühbirne und
vorher anrufen und in epischer Breite erklären, wo sie die blöde Glühbirne
gekauft haben und welcher Aufwand das war. Diese eine Glühbirne kostet mich oft
genug eine Stunde Zeit, und das ist keine Übertreibung !
Meine Branche hat auf dieses veränderte Kundenverhalten
reagiert. Die Preise sind gestiegen, die Verträge wurden angepasst, und bei offensichtlichen
Problemobjekten mache ich wie viele Kollegen nur noch verkürzte Verträge. Erstmals arbeite ich bei neuen Kunden deutlich
distanzierter. Ich lasse nicht mehr zu, dass sie mich so vereinnahmen wie
früher, und ich bremse sofort aus, wenn einer frech wird. Und ich habe mich von
zwei Gemeinschaften getrennt, weil der Aufwand mit denen nicht mehr zu den
Einnahmen passte. Da sollen andere sich herumärgern.
Schade ist das für die netteren Eigentümer in diesen Gemeinschaften,
die gar nichts dafür können, dass ihr Haus irgendwann keinen Verwalter mehr
finden wird. Denn der Wert eines solchen Objekts sinkt bei einem ständigen
Verwalterwechsel auch deutlich, das vergessen die Kotzbrockenkunden oft – oder sie
haben nicht genug Verstand, um das zu bedenken.
Dass Höflichkeit out ist, bestätigen mir übrigens ganz
viele Leute: meine Nachbarin, die als Verkäuferin arbeitet, meine Friseurin,
mein Bänker, und auch Mella kann ein Lied davon singen…
Zum Glück habe ich viele sehr nette Kunden, mit denen ich
seit vielen, vielen Jahren ausgesprochen angenehm zusammenarbeite, und auch bei
den neuen Objekten sind total interessante Menschen dabei. Das entschädigt dann
doch für viel Kundenärger und motiviert mich sehr.
1 Kommentar:
Oh da hast Du so recht. Und dann wundern sie sich, wenn Du keine Zeit hast, wenn es wirklich Probleme gibt. Auch Dein Tag hat nur 24 Stunden :-(
Ich finde aber generell, dass Respekt und Höflichkeit nachlassen.
Was ich sehr schade finde
LG Mella
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