Dienstag, 8. Januar 2013

König Kunde oder Kotzbrocken Kunde ?


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Der Jahreswechsel ist in meinem Job immer sehr anstrengend. Während die meisten „normalen“ Arbeitnehmer zwischen Weihnachten und Neujahr, oder sogar bis zum 6.1. Urlaub haben, ist hier Großkampfphase.

Vor Weihnachten nimmt mich die Weihnachtspost sehr in Anspruch. Meine Kunden bekommen immer einen Weihnachtsbrief, hierfür gibt es übrigens zwei Grundvarianten: Die netten Kunden bekommen einen Zusatz Marke „…verbunden mit Dank für die angenehme Zusammenarbeit“, die unangenehmen bekommen nur reine Weihnachts- und Neujahrgrüße. In Einzelfällen ergänze oder ändere ich den Text. So schreibe ich einer frisch zur Witwe gewordenen älteren Dame natürlich nichts von fröhlichen Feiertagen, sondern formuliere einen individuellen Text.

Die Zähler der Wasseruhren und die Wärmemesser für das Gas müssen in dieser Zeit abgelesen werden, Heizölstände muss ich ermitteln, und prüfen, ob noch irgendwelche Buchungen bis zum 31.12. eines Jahres auf die Kontoauszüge müssen.  Die Ablesungen werde bei fast allen Objekten von einer separaten Firma erledigt, aber bei ein paar Altobjekten und bei einigen Häusern, die ich im letzten Jahr von meinem betrügerischen Kollegen übernommen habe, wird von der Hausverwaltung – also von mir – abgelesen. Viele Kunden nehmen das als Anlass für ein Schwätzchen, und das ist bis zu einem gewissen Umfang auch nett, wird aber manchmal sehr ausufernd, und dann sind die Kunden beleidigt, wenn ich darauf hinweise, dass ich noch in andere Häuser gehen muss (und, was ich nicht offen sage, eigentlich wirklich nicht der Ansprechpartner für Eheprobleme, gebrochene Beine, kaputte Autos oder Familienstreitigkeiten bin…).

Wenn Kunden Urlaub haben, schauen sie sich oft ihre Unterlagen durch und rufen an, um irgendwelche Dinge zu klären. Das ist ganz normal, würde ich auch so machen, aber es führt bei mir zu einem deutlich erhöhten Anrufaufkommen. Die Leute haben inzwischen auch keinerlei Hemmungen mehr und rufen zu jeder Zeit an: Frühanruferrekord war eine Rentnerin um 6.30 Uhr, Spätanruferrekord ein arbeitsloser Kunde, der sich um 23.00 Uhr seine Nebenkostenabrechnung erklären lassen wollte, und Samstags oder gar Sonntags kann man es selbstverständlich auch mal probieren. Ich biete keinen 24-Stunden-Dienst, gehe aber trotzdem oft außerhalb normaler Zeiten ans Telefon und wundere mich dann über die zunehmende Unverfrorenheit der Anrufer. Die irritiert nicht einmal, wenn im Hintergrund meine Familie mit dem Geschirr klappert und ich nicht zufällig erwähne, dass wir gerade beim Abendessen sitzen, die tratschen hemmungslos weiter. Natürlich bin ich da auch selbst schuld, ich muss ja nicht ans Telefon gehen (dieses klingelt parallel im Büro und bei uns daheim).

In den letzten Jahren hat sich die Kundschaft insgesamt sehr stark verändert. Ich bin nicht allein mit meiner Einschätzung, es fällt vielen Dienstleistern auf, und gerade hier im Kreis brennt gerade die Luft in meiner Branche.

Der Kunde ist König. Dazu stehe ich, das ist wirklich mein Arbeitsprinzip.

Aber ich bin trotzdem nicht der Sklave des Kunden. Preis und Leistung müssen passen, ich arbeite weder ehrenamtlich noch unter Wert. Ich lasse mich auch nicht blöd anmachen, ich habe nun einmal das Fachwissen und die langjährige Erfahrung und weiß, dass auch im Internet falsche Dinge stehen oder Kunden oft nur einen Ausschnitt sehen und nicht bedenken, dass sie eine andere Teilungserklärung haben als ihr Bekannter, der Herr Mayer, der sich auskennt, denn er ist 82 Jahre alt und war mal Verwaltungsbeirat.

Es kommt inzwischen immer wieder vor, dass Kunden meckern, wenn man nicht innerhalb von zwei Stunden zurückruft. Die Meckerer sind übrigens immer diejenigen, die extrem viele „Problemchen“ haben. Der Mülleimer der Nachbarin steht nicht korrekt in der Reihe, die Waschmaschine von Frau M. war um 22.05 Uhr noch an und hat gestört, die Treppe wurde nicht ordentlich gewischt, und so weiter.

Unerfreulich ist auch, dass zunehmend Interessenten versuchen, die Preise zu drücken. In Einzelfällen habe ich mich darauf eingelassen und vereinbart, dass Zusatzleistungen dafür höher bezahlt werden müssen. Es kam oft wie befürchtet: genau diese Beiräte, die um jeden Cent handeln, sind diejenigen, die ständig wegen Kleinkram anrufen. Die sich im Jahr fünf Einzelbelege überweisen lassen mit jeweils 3,95 € für eine Glühbirne und vorher anrufen und in epischer Breite erklären, wo sie die blöde Glühbirne gekauft haben und welcher Aufwand das war. Diese eine Glühbirne kostet mich oft genug eine Stunde Zeit, und das ist keine Übertreibung !

Meine Branche hat auf dieses veränderte Kundenverhalten reagiert. Die Preise sind gestiegen, die Verträge wurden angepasst, und bei offensichtlichen Problemobjekten mache ich wie viele Kollegen nur noch verkürzte Verträge.  Erstmals arbeite ich bei neuen Kunden deutlich distanzierter. Ich lasse nicht mehr zu, dass sie mich so vereinnahmen wie früher, und ich bremse sofort aus, wenn einer frech wird. Und ich habe mich von zwei Gemeinschaften getrennt, weil der Aufwand mit denen nicht mehr zu den Einnahmen passte. Da sollen andere sich herumärgern.

Schade ist das für die netteren Eigentümer in diesen Gemeinschaften, die gar nichts dafür können, dass ihr Haus irgendwann keinen Verwalter mehr finden wird. Denn der Wert eines solchen Objekts sinkt bei einem ständigen Verwalterwechsel auch deutlich, das vergessen die Kotzbrockenkunden oft – oder sie haben nicht genug Verstand, um das zu bedenken.

Dass Höflichkeit out ist, bestätigen mir übrigens ganz viele Leute: meine Nachbarin, die als Verkäuferin arbeitet, meine Friseurin, mein Bänker, und auch Mella kann ein Lied davon singen…

Zum Glück habe ich viele sehr nette Kunden, mit denen ich seit vielen, vielen Jahren ausgesprochen angenehm zusammenarbeite, und auch bei den neuen Objekten sind total interessante Menschen dabei. Das entschädigt dann doch für viel Kundenärger und motiviert mich sehr.


1 Kommentar:

Mella hat gesagt…

Oh da hast Du so recht. Und dann wundern sie sich, wenn Du keine Zeit hast, wenn es wirklich Probleme gibt. Auch Dein Tag hat nur 24 Stunden :-(

Ich finde aber generell, dass Respekt und Höflichkeit nachlassen.
Was ich sehr schade finde

LG Mella