Sonntag, 12. Mai 2013

Hyperaktives Lesen

© shandrus - Fotolia.com


Bücher kommen gleich nach Schokolade – beides ist lebensnotwendig, und ich zeige Entzugserscheinungen, wenn eines davon nicht greifbar ist. Ich habe die  „Luxusvariante“ des Leseausweises für die Stadtbücherei der Kreisstadt. Diese beinhaltet das kostenlose Ausleihen von ansonsten zuschlagpflichtigen Bestsellern, und erlaubt eine unbegrenzte Zahl an Medien gleichzeitig mitzunehmen. Außerdem ist unsere Bücherei an die Onleihe angeschlossen, ich kann also eBooks ausleihen.

Das ist für einen Lesejunkie das Paradies – eigentlich. Wenn ich bei Kunden in der Kreisstadt vorbeischaue, mache ich noch kurz einen Ausflug in die Bücherei. Meistens komme ich gar nicht über das Erdgeschoss hinaus, denn dort befindet sich die Abteilung mit den Bestsellern und den Neuanschaffungen. Ich stehe mit leuchtenden Augen davor und ergänze meine innere Liste der unbedingt zu lesenden Bücher. Gleichzeitig muss ich den Terminplan der nächsten vier Wochen durchdenken, denn fast immer werden die Bestseller von anderen Lesern vorbestellt, so dass ich sie nicht verlängern kann. Wie viel Zeit bleibt mir also zum Lesen, bis ich mich wieder trennen muss ? Ich gehe meistens mit mehreren Büchern heim. Viele davon sind Sachbücher für zwischendurch, und ich bin stets davon überzeugt, dass ich sie schaffen werde bis zum Rückgabetermin. In meinem Wohnzimmerschrank gibt es ein Regal nur für ausgeliehene Bücher, und dieses ist stets gut gefüllt.

Noch viel verführerischer ist die Onleihe. Mit wenigen Klicks ist das jeweilige Buch auf dem Reader oder Tablet, es kostet mich nichts zusätzlich, es gibt keine Wartezeiten, nichts. Leider habe ich auch hier ein großes Entscheidungsproblem und leihe daher aus purer Verzweiflung mehr Lesestoff aus, als ich schaffen kann.

Dass eine meiner ersten „Freundschaften“ im Internet die enge Kundenbeziehung zu einem großen Onlinebuchhändler war, dürfte niemanden überraschen. Da trotzdem auch der Buchhandel vor Ort unterstützt werden muss, entscheide ich oft genug spontan, dass so manches Buch dauerhaft und für die lesenden Kinder als Option in unseren Bestand gehört. Ich kaufe eben lieber Bücher als Schuhe.

Die Frage nach dem Buch, das ich gerade lese, kann ich nie spontan beantworten. Ich lese immer mehrere Bücher gleichzeitig, meistens drei bis fünf Stück parallel. Nur, weil ich gestern den Thriller angefangen habe, heißt das ja nicht, dass mir heute der Sinn nach Leichen ist, im Gegenteil, jetzt gerade lacht mich das Sachbuch über Controlling an, und nachher werde ich das schicke Kochbuch durchblättern bei der Planung der nächsten Woche. Und so weiter…
© KariDesign - Fotolia.com

Das alles hat aber auch eine Kehrseite. Während früher, in den analogen Zeiten, also im letzten Jahrhundert, meine Stapel ungelesener Bücher überschaubar waren, bin ich jetzt umzingelt von termingebundenem Lesestoff. Fünf interessante eBooks laufen in drei Tagen ab, der wahnsinnig spannende Bestseller muss in zwei Wochen abgegeben werden, das tolle Kochbuch, das ich kürzlich ausgeliehen habe, wurde noch immer nicht getestet, die Schenkbücher von Weihnachten und Geburtstag lachen mich an, aber ich lese sie nicht, weil hier ja keine Rückgabefrist drängt.

Dank Cookies werden mir bei jedem Besuch einschlägiger Seiten weitere interessante Bücher vorgeschlagen. In Buchhandlungen liegen Prospekte aus, die ich immer mitnehmen muss, es geht einfach nicht anders. Von allen Seiten ruft es „Lies mich !“. Es ist paradiesisch, dass ich fast immer und überall sofort genau das lesen kann, was mir gerade in den Sinn kommt, aber es ist tatsächlich manchmal zu viel auf einmal.

Ich bin mir sehr sicher, dass ich als Rentner keine Langeweile haben werde. Im Idealfall stelle ich die Schriftgröße meines Readers auf L und lese, lese, lese – alles, was gerade neu erschienen ist, und alles, was ich über die Jahre in den Regalen angesammelt habe. Bis dahin werde ich eben die Zeitfenster des Alltags nutzen – Wartezeiten vor Terminen, Nachtschichtnächte des Gögas, Ferienzeiten.


Keine Kommentare: