Donnerstag, 15. November 2012

Zeitreise


Aus einem aktuellen Anlass habe ich in alten Bildern gestöbert – aus dem Jahr 2000.

Wir hatten damals noch keine Digitalkamera, daher handelt es sich um Papierbilder. Es ist heute gar nicht mehr vorstellbar, wie man damals fotografiert hat: Der sogenannte Film gab nur eine sehr begrenzte Anzahl von Bildern her (36 Stück, wenn ich mich nicht irre). Wenn dieser Film „voll“ war, brauchte man einen neuen, oder hatte Pech gehabt.

Das Entwickeln der Bilder kostete ziemlich viel Geld, weshalb man darauf achtete, möglichst wenig Ausschuss zu produzieren.

Schade – ich hätte gerne mehr Fotos gehabt, und ich finde die moderne Art, statt eines Albums mit eingeklebten Bildern ein Fotobuch machen zu können, und das dann auch noch beliebig oft reproduzierbar, einfach klasse.

Der Urlaub in Kärnten ist eigentlich nur zwölf Jahre her, aber die Familie DukeimNetz hat sich sehr verändert. Spielplätze spielen keine Rolle mehr bei der Wahl der Unterkunft. Kaninchen streicheln, mit dem Traktor fahren, Vögel anschauen wie hier, all das, was damals die Kinder glücklich gemacht hat, ist inzwischen nicht mehr interessant. In den zwölf Jahren seit damals hatten wir insgesamt vier eigene Kaninchen, zwei Meerschweinchen leben noch bei uns, wir haben Hunde, und wir waren unzählige Male in der Wilhelma.

Der Göga hat viel weniger Haare. Ich habe mehr, aber leider eher am Kinn. Zwölf Jahre merkt man optisch – wir sind keine junge Familie mehr, sondern in den mittleren Jahren.

Die Freunde von damals sind auch heute noch unsere Freunde, was wir mit jedem Jahr mehr schätzen. Familie Grazerlei ist auf den Bildern zu sehen, auch noch ganz jung, mit einer so tollen Tochter, die inzwischen auch schon eine junge Frau ist. Zu dieser Zeit gab es keine Blogs, aber wir haben uns in einem kleinen, feinen Forum virtuell getroffen und regelmäßig miteinander Kaffee getrunken und unser Leben geteilt. Heute fehlt uns allen ein bisschen die Muße für einen so intensiven Kontakt, aber die meisten von uns nehmen nach wie vor am Leben der anderen teil, mal mehr, mal weniger – Facebook hat definitiv gewisse Vorteile.

Im Jahr 2000 war noch keines unserer Kinder ein Schulkind, und es stimmt mich traurig, dass unsere älteste Tochter auf den Bildern noch genau das Strahlen hat, das nur wenige Monate später für sehr lange Zeit verlorenging. Damals schrieb ich auch in das Fotoalbum, dass unser Jüngster einfach nachts nicht schlafen wollte. Hätte ich gewusst, dass ich dieses auch zwölf Jahre später sagen würde, und hätte ich geahnt, wie enorm sich unser Schlafmangel entwickeln würde, hätte ich durchgedreht.

Auf ganz wenigen, noch älteren Bildern sieht man meine Mutter. Sie war zu jener Zeit 51 Jahre alt, nur fünf Jahre älter als ich jetzt. Und ich muss feststellen, dass wir so gar nichts gemeinsam haben. Es ist bei uns nicht so, dass ich rückblickend verstehe, wie es meiner Mutter ergangen sein muss, als sie in meinem Alter war, denn sie hat immer so komplett anders gelebt und gedacht, dass wir gar keine Berührungspunkte haben. Es ist, als würden wir auf verschiedenen Planeten leben – damals und heute.

Ich bedauere ein bisschen, dass die Zeit mit ganz kleinen Kindern irgendwie so schnell vorbeigegangen ist. So viele Dinge haben uns nebenbei belastet, so müde waren wir, so schwierig war das Leben, aber gleichzeitig auch so freudig, intensiv und hoffnungsvoll. Nie im Leben gab es mehr Glücksgefühle als im Zusammensein mit dieser verrückten Brut.

Jetzt haben wir hier Jugendliche. Das Leben ist noch immer intensiv. Viele Sorgen von damals sind zum Glück längst überwunden. Andere sind dazugekommen, aber durch das Bestehen der schweren Zeiten ist auch eine innere Kraft gewachsen – so schnell wirft uns nichts um. Unsere Kinder werden mehr und mehr zu gleichwertigen Gesprächspartnern. Das jüngste Kind überwacht die Sicherheitseinstellungen meines Facebook-Accounts und liebt eine extrem exotische AG an seiner Schule. Meine Töchter helfen mir bei der Auswahl meiner Bücher. Demnächst werde ich eventuell die Uni Tübingen wiedersehen, und ich fürchte, ich werde mich nicht zurechtfinden. Schon die Homepage erschlägt mich – damals musste man in der Buchhandlung ein Vorlesungsverzeichnis kaufen, ein dickes Buch aus Papier, heute erledigt man alles online, strebt kein Diplom mehr an, sondern einen Bätscheler, was in meinen alten Ohren nach einer billigen RTL2-Soap klingt, aber nicht nach einem Hochschulabschluss.

Durch unsere Kinder bleiben wir modern – hoffentlich auch noch viele Jahrzehnte.


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