Montag, 28. Mai 2012

Lebensphasen


In unserem Freundeskreis verändert sich gerade vieles. Die meisten der Kinder sind inzwischen mindestens zweistellig, viele in der Pubertät, einige studieren oder machen eine Ausbildung, manche wohnen nicht mehr bei den Eltern oder planen gerade ihren Auszug.

Gefühlt gestern haben wir uns noch über Trotzanfälle und Kindergartenthemen unterhalten, jetzt kommen wir in die Phase, in der wieder eine kinderlose Zeit kommen wird. Urlaube müssen nicht mehr an die Schulferien angepasst werden, man benötigt keinen Babysitter mehr, ist erheblich unabhängiger als noch vor einigen Jahren. Und, um ehrlich zu sein – die Pubertät ist in fast allen Familien eine anstrengende Zeit, nach der man tatsächlich das Gefühl hat, jetzt sei man durch mit dem Kinderkram – uns zumindest geht es so.

Fast zeitgleich aber schleichen sich andere Sorgen ein: die eigenen Eltern werden alt und benötigen teilweise jetzt schon Hilfe. Bei guten Freunden von uns ist die Situation seit einigen Jahren schon fast unerträglich. Es läuft das volle Programm:  Diejenigen, die als junge Menschen davon profitiert haben, dass der Opa im Haus gewohnt und gerne die Enkel mit versorgt hat, müssen sich anhören, dass sie selbstverständlich mehr in der Pflicht seien, den Opa jetzt zu versorgen als die Schwester, die früh ausgezogen ist, nicht so kostengünstig gewohnt hat und für die Kinder einen Babysitter bezahlen musste. Die erwachsenen Kinder, die weiter weg leben, haben große Probleme damit, immer häufiger zu dem alten Vater zu fahren, denn meistens sind die Familien beruflich und schulisch noch sehr eingebunden. Die älteren Herrschaften werden ungeduldig, neigen zu tyrannischem Verhalten, verstehen nicht (mehr), dass man nicht immer spontan Zeit hat. Elternteile sterben, der überlebende Elternteil benötigt Trost und Ansprache, Freundschaften unter den alten Menschen werden aus biologischen Gründen immer spärlicher. Oder, wie unser Freund etwas sarkastisch feststellte: Sein Vater gehe seit einigen Jahren nicht mehr zu Klassentreffen – er sei nämlich der einzige verbleibende Gast…..

Das Thema „Pflege“ rückt näher. Es ist erstaunlich, wie gut eine gewisse Schattenwirtschaft floriert. Jeder kennt einen, der eine Telefonnummer hat zu einer osteuropäischen Organisation, und „meine Polin“ als Altenpflegerin ist selbst hier in der Provinz keine Seltenheit mehr.

Zu meinen Eltern habe ich fast keinen Kontakt, und sie sind mit Mitte 60 auch noch relativ jung. Meine Schwiegermutter aber geht langsam Richtung achtzig und wird immer tüdeliger und anstrengender. Zwei der erwachsenen Kinder wohnen in der Nähe, man schaut nach ihr, so oft es geht, aber es wird natürlich als zu wenig empfunden – wer den ganzen Tag alleine daheim ist, dem vergeht die Zeit viel zu langsam.

Und so hoffen wir alle, dass uns zwischen Kinderkram und Altenpflege noch einige gute Jahre bleiben, in denen wir wieder ähnlich sorglos wie als junges Paar leben können.

Hier noch ein Buchtipp, wie es in der Praxis leider wirklich oft aussieht:

1 Kommentar:

Frau Mahlzahn hat gesagt…

Oh ja. Du glaubst gar nicht, was für einen Ausdruck ich kürzlich gehört habe, der "meine Polin" deutlich in den Schatten stellt...

1000 km Entfernung haben oft ihr Gutes, aber leider ist es manchmal auch sehr viel.

Trauriges Thema, das.

So long,
Corinna