Vor sehr langer Zeit, unser zweites Kind war gerade
geboren, hatten wir genug gespart, um uns eine „richtige“ Couch leisten zu
können. Kein tolles Designerteil, das war nicht in unserem Rahmen, aber ein
gutes Stück, das vermutlich einiges aushalten konnte.
Wir fanden die grüne Couch, eine Eckcouch mit einem
wunderbar angenehmen Stoffbezug, genannt Alcantara.
Die Couch war damals schick, sie war bequem, sie hielt
Babyspucke und Apfelsaft aus, nichts drang in das Gewebe ein, man konnte sie
wunderbar abwischen. Unzählige Stunden wurde darauf gesessen, geschlafen,
gelesen, gelümmelt – wir liebten sie sehr. Auch insgesamt drei Umzüge überstand
sie sehr gut.
Schon vor ein paar Jahren reklamierte die damalige
Pubertistin, was für peinliche Eltern wir seien, die Couch ginge gar nicht,
voll der Style des letzten Jahrhunderts, da könne man echt keinen Besuch
empfangen, man müsse sich schämen, wie ärmlich wir lebten.
Irgendwann fand ich die Couch auch nicht mehr so ganz
schick, aber sie war einfach so bequem und fühlte sich wahnsinnig angenehm an.
Ab und zu bummelten wir durch das eine oder andere Möbelhaus und sahen uns auch
die Polstermöbel an, aber niemals gefiel uns etwas gut genug, um auch nur
ansatzweise ein Ersatz für diese Couch sein zu können. Außerdem waren wir inzwischen
eine ziemlich große Familie mit großen Kindern, die entsprechend Platz auf der
Couch beanspruchen, so dass die schönen Sonderangebote aus den bunten
Prospekten stets sowieso viel zu klein waren, und die Modelle mit ausreichender
Größe in guter Qualität zu teuer für diese Lebensphase.
Nun bin ich ein leidenschaftlicher ebay-Stöberer, daher
stieß ich irgendwann auf einen Händler, der Ausstellungsstücke vertickert. Man
kann bei ihm den Kauf bei Nichtgefallen rückgängig machen, er ist eine
Autostunde von hier entfernt und hat sehr schicke Markenmöbel deutlich
reduziert. An einem gemütlichen Abend entdeckte ich eine sehr große, U-förmige
Wohnlandschaft in seinem Angebot, war mir aber unsicher, denn sie war etwas
gediegen in der Farbe, so eine Art Beige. Gesittet und modern, hochwertig,
bürgerlich – eigentlich fühlte ich mich nicht alt genug für ein solches Teil.
Die große Tochter aber witterte eine Chance und lobte dieses Modell sehr. Ihr
Vorschlag war, die Neutralität mit bunten Accessoires zu durchbrechen. Man könnte
dieser Couch je nach Laune in einer roten Phase mit Dekokissen und Wohndecken
mehr Feuer geben, sie in einer blauen Phase eher kühl wirken lassen, und wenn
die alte Mutter einen Vogel bekommt, alle möglichen Farben mischen.
Im Shop des Händlers kostete die Wohnlandschaft einen
Betrag X, aber auf ebay stellte er sie gleichzeitig zum Bieten mit ein, mit
einem hohen Startpreis, aber deutlich unter dem, was er in seinem Onlineshop
verlangte. Der Göga sah alles gelassen, meistens vergesse ich nämlich,
rechtzeitig zu bieten.
Das Ende der Auktion kam, und es bot genau niemand. Niemand
außer mir – ich hatte das Möbelstück ersteigert Zu einem absoluten Spottpreis !
Am nächstmöglichen freien Tag des Gögas fuhren wir zu dem
Händler, um die Wohnlandschaft anzusehen, genauer gesagt, einen Teil davon,
denn der Rest war bereits versandfertig verpackt. Wir wollten lediglich
probesitzen und den Stoff in echt anschauen und anfühlen.
Schicker Laden,
das muss ich sagen. Wir schauten uns um und entdeckten nirgendwo die Couch. Die
sehr netten Jungs dort waren etwas verlegen und zeigten auf einen Zweisitzer
ganz am Rande der Ausstellung. „Ja, die Farbe ist etwas anders als auf dem
Monitor“, druckste einer von ihnen herum. Das war ziemlich beschönigt: Eine
beige Wohnlandschaft auf dem Bildschirm ging für mich okay, aber das Möbelstück
hier in der Halle war eher sandfarben bis bräunlich – nein, so auf den ersten Blick gefiel
uns das nicht. Wir baten um Bedenkzeit und gingen durch die Ausstellung.
Wieder einmal überlegten wir, ob wir nicht doch eine
Ledercouch nehmen sollten. Diese Teile sind einfach wahnsinnig schick. Aber wie
immer erinnerten wir uns an unsere letzten Ferienhäuser in Dänemark mit den tollen
Ledermöbeln – sie sind superpraktisch, gerade in einem Ferienhaus, aber sie
fühlen sich niemals so gut an wie unsere grüne Couch, und Kuscheldecken
verrutschen darauf ständig. Nein, keine Ledercouch.
Im Prinzip würde die sandige Farbe sehr gut in unser
Wohnzimmer mit den offenen Balken und den hellen Teppichen passen. Modern war
sie auf jeden Fall – wir setzten uns also mal hin. Und waren hin und weg. Man
saß wie auf Wolken, der Stoff fühlte sich gut an – nicht so perfekt wie bei der
grünen Couch, aber immer noch sehr gut. Und ganz ehrlich, eine riesige
Wohnlandschaft, so groß, dass vermutlich deshalb keiner mitgesteigert hatte,
die normal gekauft in einer Preisklasse lag, über die wir normalerweise nicht
einmal nachdachten, zu einem so günstigen Preis, das war schon klasse.
Einige Tage später wurde das gute Stück geliefert, sie
war auch zerlegt zu groß für den Van. Vorab musste nun die grüne Couch daran
glauben, und das war gar nicht so einfach: Das mittlere Kind hatte erheblichen
Abschiedsschmerz und wollte das Versprechen, dass wir die grüne Couch für die
erste eigene Wohnung aufbewahren würden. Schließlich gehöre das Teil zu ihrem
Leben, auf dieser Couch war sie gestillt worden, hatte geschlafen, ferngesehen,
gekuschelt, also nein, die kann nicht weg.
Der eher unsentimentale Junior wünschte, dass die Couch
in den Hobbyraum gestellt werden solle, denn dort ist sein PC, und dann könnte
er nachts durchmachen und irgendwann einfach nur noch ein paar Meter rollen,
auf die Couch fallen und schlafen.
Der Göga meinte, irgend jemand würde sie bei ebay
ersteigern, ganz bestimmt. Aber als er die Fotos der „nackten“ Couch sah,
musste auch er zugeben, dass sie alt geworden war. Sie hatte keinerlei Löcher,
aber man sah ihr an, dass sie intensiv genutzt worden war. Nein, niemand würde
das ersteigern, was für alle anderen einfach nur Sperrmüll war.
Daher lebt sie jetzt im Hobbyraum weiter, sehr zum Glück
der beiden jüngeren Kinder. Ich fürchte, sie wird noch lange bei uns bleiben.
Die neue Wohnlandschaft ist tatsächlich riesengroß. Wir
können alle gemütlich zusammen sitzen und haben immer noch viel Abstand –
wichtig für Menschen, die zu viel Nähe nicht ertragen. Wenn der Göga und ich uns
jeweils hinlegen, bleibt immer noch ganz viel frei. Wir winken uns quasi zu,
vom einen Teil des U‘s zum anderen Teil. Und mit den knallig roten und
orangefarbenen Kissen und Decken sieht sie echt schick aus.
Trotz dieser komischen Farbe !